Sonntag, 9.10.1994, Neckartal, sonnig aber frisch (die Frisur hält), der Tag wie geboren für Angeln am Neckar. Die Wetterbedingungen waren sehr gut und weil der Platz , den ich befischen wollte , durch einwöchiges Füttern gut vorbereitet war, entschloss ich mich für eine kurze Carping-Aktion. Den Platz habe ich täglich mit 2 - 3kg Boilies und bis 5kg leicht abgekochtem Mais gefüttert, was im Moment sehr viel aussieht. Dabei müssen aber auch andere Boilie-Verbraucher mitberechnet werden: Unmengen an Döbel, Brassen, Barben, Krebspopulation, verschiedene Entenarten, Schiffssog, die alle dazu beitragen dass nach kurzer Zeit nach dem Füttern nicht viel für den Karpfen übrig bleibt.

Armelite, Antitanglemontage und Snowman - Werkzeug, das mir geholfen hat den „Kollos“ rauszuziehen

Auf dem Platz war ich etwas vor 16.00 Uhr. Ich wusste, daß danach der Schiffsverkehr aufhört und man die Montage problemlos längere Zeit im Wasser liegen lassen kann. Den Spot, den ich befischen wollte, zwang mich dazu, während Schiffe vorbeifahren die Montagen aus dem Wasser raus zu ziehen, weil dadurch ein Sog verursacht wird und das Blei unkontrolliert abrollen lässt, was mit einer großen Wahrscheinlichkeit zu einem Montagenverlust führen würde. Der Spot hat eine treppenähnliche Konfiguration und gerade an diesen Kanten entlang, zieht der Karpfen um Nahrung zu suchen. Beim Antreffen am Platz habe ich gleich ca. 1kg Boilies und etwa 2kg Mais verstreut.

 

Top Runners - meine erste Bissanzeiger

Die Montage, die ich mir für diese Aktion ausgesucht habe, war Anti Tangle mit etwas weniger Gewicht (80gr), weil ich wusste, dass ich nicht weit werfen muss und dass der Schiffsverkehr ruht. Die ganze Montage war eine sogenannte Festbleimontage, weil ich am unterem Ende des Bleies einen Gummischlauch angebracht habe, und dann wurde der Wirbel hineingesteckt, so dass sich das Blei an der Hauptschnur nicht bewegen kann. So wird auch der Selbsthakeneffekt viel sicherer. Meine Boilie Hook Nr.2 wurde mit Vorfachmaterial von JP gebunden und mit einer an das Haar Snow Man Präsentation bestückt. (einen sinkenden und einen schwimmenden Boilie). Auf der anderen Montage waren 2 sinkende Boilies auf das Haar aufgezogen. Die Boilies waren aus eigener Küche mit Birdy Mix und Knoblauch-Aroma hergestellt. Die Century Armelite CPT 13’ in 2,5lb Ruten, mit Shimano US Baitrunner 4500, mit aufgewickelter JP 0,35mm Monofile Schnur, sollten sich bisher als gute Wahl bewiesen haben.
Die Montage habe ich auf die erste und zweite Kante ausgeworfen, mit der Vorstellung, dass der Karpfen bei seiner Nahrungsuche an der einen oder anderen Kante durchziehen wird. Nach dem Auswerfen meiner zweiten Angel und auf der ersten Kante ausgeworfenen Rute, habe ich versucht mein Bissanzeiger einzustellen, was mir nicht gelang. Der gute Top Runner scheinte den Geist aufgeben zu wollen! Den habe ich gleich aufgemacht und festgestellt, dass ein abgelöteter Draht der Verursacher für die Störung war. Sch... was jetzt? Zusammenpacken und nach Hause fahren bei so schönem und erfolgversprechendem Wetter, nein, es geht nicht! Im Moment der Verzweiflung , stand auf einmal ein bekanntes Gesicht vor mir, das mir gleich die Hoffnung gab, dass die Aktion noch zu retten ist. Das war ein Verwandter von meiner Frau, der Wolf-Dieter, von dem ich wusste, dass er elektrotechnisch sehr gut drauf war und noch dazu auch ein Angler ist. Er bot mir gleich seine Hilfe an und nahm den Bissanzeiger mit nach Hause, um ihn zu reparieren. Nicht mal ein halbe Stunde verging und Wolf-Dieter stand vor mir mit dem reparierten Bissanzeiger. Ich bedankte mich in Form eines Bierchen, das er sehr gerne annahm. Wolf-Dieter ist dann nach Hause gegangen und ich konnte mich auf meine Liege hinlegen und den Alex anrufen. Ich wollte wissen , was mit ihm los ist, weil er auch fischen wollte, aber er kam nicht. Am Handy sagte er, dass es viel besser ist zu Hause mit der Freundin zu sitzen , als den Arsch, am Wasser zu verfrieren. Na gut, das kann er aber jede Nacht machen... ich melde mich heute noch mal bei ihm, habe ich ihm fast versprochen.
Es ist nicht viel Zeit vergangen und es begann das zu passieren, was ich befürchtete. Die Döbel haben sich an meinem Futterteppich breit gemacht und fingen mit der Fressorgie an. In kurzer Zeit fing ich 3 Stück und alle waren über 2kg schwer. Aus dem Maul schoß unverdaulicher Boilie und Mais. Nach jedem gefangenen Döbel habe ich 2-3 Hände voll Boilies und 2-3 Grounbaiter Mais nachgefüttert um sicher zu sein, dass auf dem Spot noch Futter liegt. In der Dämmerung wurde es deutlich kälter und der Nebel wurde dichter, was mir besonders gefallen hat. Ein paar Mal habe ich die Carps springen gehört, was mir mit dem Wissen, dass die Montagen richtig liegen, noch mehr Hoffnung auf einen guten Fang gegeben hat.

Spot, der eine gewisse Zeit sehr ausgiebig war

Und so bin ich fast in Schlaf gefallen, als der Swinger an diesem Bissanzeiger, den Wolf-Dieter repariert hat zu hüpfen anfing. Ohh, nein, schon wieder ein Monster-Döbel, dachte ich zuerst. Aber auf einmal schoss der Swinger zu dem Blank hoch und es folgte ein Run. Kein langer Run, weil ich schon die Rute in der Hand hatte. Im ersten Moment dachte ich, dass es doch ein „gedopter“ Döbel ist, weil der Widerstand von anderer Seite nicht so stark war. Aber in ein paar Sekunden hatte sich die Situation geändert und meine Rute und mein Können wurden maximal auf die Probe gestellt. Der Fisch zog in Richtung Flussmitte und nahm viel Schnur mit, so dass ich schon den Verdacht hatte, dass es sich um einen außergewöhnlich grossen Fisch handeln muss. Den Bewegungen nach wurde es noch deutlicher, dass er ein Großer ist. Mehrmals habe ich ihn bis ans Ufer heran gezogen, aber an die Wasseroberfläche habe ich ihn immer noch nicht bekommen, um wenigstens zu sehen um was es sich handelt. Und nach 20 Minuten hatte der Karpfen im Uferbereich im Kreis gezogen und immer noch sehr tief. Mit solidem Risiko gab ich „Gas“ und mit einer zu eínem C verkrümmten Rute gelang es mir den Fisch an die Wasseroberfläche zu bekommen, den aber wegen starken Nebels nicht sehen konnte. Irgendwie schaffte ich es den Carp über die Kescher rüber zu ziehen und ein toller Kampf wurde beendet. Nach kurzer Verschnaufpause, machte ich die Kescherarme auseinander und das Keschernetz wickelte ich darüber, um den Fisch leichter bis auf die Abhakmatte zu tragen. Mit einer Hand versuchte ich den Fisch zu tragen, aber irgendwo hängte das Keschernetz! Kurz nachgeguckt, aber es hängte nirgendwo und dann packte ich mit beiden Händen zu, was auch sehr schwer war. Die Abhakmatte war fast zu klein um diesen wunderbaren Körper von einem Spiegelkarpfen aufzunehmen. Diese ungewöhnliche schöne Schuppenform ordnet den Karpfen vielleicht in die Fully Scaled Gruppe ein. Schnell habe ich den Wiegesack im Neckar nass gemacht und versucht den Fisch zu wiegen. Der Zeiger auf meiner 25kg Waage hatte bis hinter den letzten Strich angeschlagen. Ich dachte, dass ich irgendwie auf dem Wiegesack oder dessen Schnur draufstand und versuchte noch einmal den Karpfen zu wiegen, aber es geschah das Gleiche. Meine 25kg Waage war einfach zu schwach für diesen Kollos!!! Aus mir brach ein Siegesschrei, der bestimmt im Umkreis von 2km zu hören war, obwohl ich noch nicht wusste, um welches Gewicht es sich handelte. In dem Moment war er mein neues Personal-Best.

Einauge Jack, wieder gefangen zwischen zwei Begegnungen mit dem Big Ben

Schnell habe ich den Fisch im Carpsack versorgt und dann den Alex angerufen, dass er mir eine Waage über 25kg bringt. Danach lag ich mit wackeligen Knien auf meiner Liege und ich denke es waren nicht mal 5 Minuten vorbei, hörte ich schon quietschende Reifen vom aufgemotzten VW Polo von Alex. Von anderer Richtung kamen andere Jungs, die der Alex benachrichtigt hatte. Alle dachten, dass es sich um einen Waller handelte, weil ich eine große Waage brauchte. Nach dem ersten Blick auf den Fisch, konnten meine Kollegen die Bewunderung nicht verstecken. Das war ein Karpfen, der vor einigen Jahren mit etwas unter 25kg gefangen wurde. Nach mehrmaligem Wiegen hat die Waage auf 28,3kg gezeigt. Der Freudenschrei hat sich jetzt bestimmt auf einen Umkreis von 5km verbreitet. Jemand sagte mir, dass es sich wahrscheinlich um den Deutschen Rekord handelt, aber vor lauter Aufregung habe ich das nicht wahrgenommen. Ein paar Fotos wurden geschossen und dann wurde der Karpfen vorsichtig in sein Element zurückgelassen. Die Kollegen blieben noch eine Weile und wir unterhielten uns über das Geschehen von heute Abend und das übliche Fachgesimpel. Nach dem Abschied waren die Ruten wieder auf der Position ausgelegt.

BIG BEN,
Damals der Größte Deutsche, und für mich der schönste Karpfen

 Ich kann nicht sagen, ob ich im Halbschlaf war oder nur von der Aufregung und Verarbeitung des Geschehens weggerissen wurde, so dass ich kaum den nächsten Run registrieren konnte, der wieder auf der gleichen Rute war. Irgendwie kam ich bis an die Rute und der Kontrahent hatte schon einen mächtigen Fight entwickelt, der aber nicht von langer Dauer war. Schnell merkte ich, dass es sich nicht noch einmal um so einen Riesen handelt. Es wäre zu viel gewesen, oder? Auf der Matte lag wieder ein markanter Spiegler, der aber nicht so groß und schön war. Nicht schön, weil sein rechtes Auge fast zugewachsen war und der obere Teil von der Schwanzfloße war vom „Mensch“ „frisiert“ worden. Leider hatte ich für ihn keinen Film mehr (weil alles für den Big Ben draufging), so dass diese Begegnung ohne Aufzeichnung geblieben ist. Der Einäugige Jack, wie ich ihn genannt habe, wird mir bei der nächsten Begegnung mit dem Big Ben wie ein Vorindikator vorkommen (Warum? Antwort in einem von den nächsten Berichten.). Mit voller Achtung und Respekt wurde auch er in sein Element zurückgebracht und ich habe die andere Rute auch aus dem Wasser rausgezogen und mich in die Koje zu verdientem Schlaf geschmissen.
Und schon um ca. 6.00h, wurde ich von brummenden Turbinen eines vorbeifahrenden 105m langen Schiff aus dem Schlaf gerissen, was auch das Ende von Schlafen bedeutete. Weil es mir zu blöde war noch im Dunkeln und alles war noch nass vom Nebel zusammenzupacken, legte ich noch einmal die Ruten aus. Mit den Karpfenbissen war es vorbei, aber die Döbel waren aktiv und 2 Stück haben mich persönlich kennen gelernt. Nach dem dichtem Nebel kam dann die Sonne, die mich bis nach Hause begleitet hat, wo ich dann auch mit meiner Familie ein bisschen gefeiert habe.

Beim Abschied habe ich ihm gesagt: „Bis bald“, was auch geschah

 Zum Schluss muss ich noch sagen, dass meine Freude und Erfolg von wahren Freunden mit Gratulationen und angenehmen Gesten begleitet wurde, aber es gab auch Solche, die irgendwie den Erfolg von anderen Kollegen nicht vertragen können. Diese Leute sind eine Story für sich und wahrscheinlich eine unangenehme Begleitung in allen Sphären des Lebens, so dass ich die zum Schluss erwähnen musste, aber denen werde ich genauso wie im Leben keine große Aufmerksamkeit schenken.

 


BIG BEN der II - Wiedersehen ein Jahr später

In diesem Sinne wünsche ich allen Kollegen„gespannte Leine“,

Tomislav Popović